Flo kam heute auch noch an die Reihe. Nachdem Finn und ich unsere Kaffees im Reiterstübchen ausgetrunken hatten, machten wir uns wieder auf den Weg nach draußen. Der Regen hatte nach wie vor aufgehört und die Wolkendecke schien sogar ein wenig aufzureißen. Vereinzelte, warme Sonnenstrahlen brachen daraus hindurch. "Ich mach mich dann mal wieder an die Arbeit.", meinte Finn kurz vor Flos Stall, "Ich muss noch ein paar Dinge erledigen heute." Ich nickte: "Mach das." "Wir sehn uns ja nachher noch.", er bog in Richtung des Stalls der Verkaufspferde ab und pfiff schon fast selbstverständlich Bonni zu sich. Flo hatte mich schon längst von ihrem Paddock aus gesehen. Sie war ein wenig nass, hatte wohl noch ein paar Tropfen abbekommen. "Hallöchen, meine Große.", begrüßte ich Flo und reichte ihr einen halben Apfel, den sie genüsslich verdrückte. Sie verschlang ihn so gierig, dass ihr ganzes Maul danach versabbert war. "Fresssack.", lachte ich nur und holte sie aus der Box. Da es draußen im Moment trocken war, beschloss ich sie draußen zu putzen. Auf Risiko natürlich, es konnte jederzeit wieder anfangen zu regnen. Und es musste natürlich sein, während ich gerade am Hufe auskratzen war, merkte ich, wie es schon wieder anfing zu tröpfeln. Keine Minute später ergoss sich der Regen auch schon über uns. "Neeeiin.", rief ich und machte Flo los, brang sie schnell wieder in den Stall, band sie in der Gasse hastig an und rannte wieder nach draußen, um mein Putzzeug zu retten. "Bah.", fluchte ich, als ich nass wieder rein kam. Ich wischte mir die Tropfen aus dem Gesicht und betrachtete meine Chaps - verschlammt. Und meine Hose hatte vom rennen auch was abbekommen. Naja, da war wohl waschen angesagt. Ich putzt Flo weiter, die mich fragend ansah. "Guck du mal nicht so.", sagte ich zu ihr, "Das Wetter ist unberechenbar." Sie schüttelte den Kopf. Ich hielt inne, war kurz irritiert, dann meinte ich: "Doch ist es." Flo schnaubte. "Ja, schön, du mich auch.", lachte ich. Ich holte Sattel und Trense aus meinem Spind in der Sattelkammer, sattelte Flo geschwind auf und näherte mich dem Stallausgang. Der Regen war schon wieder vorbei, war wohl nur ein kurzer Schauer gewesen. Ich führte Flo zur Halle und öffnete das Tor. "Tür frei.!", rief ich hinein, als ich sah, dass ich nicht alleine war. "Ist frei.!", kam die Antwort vom Reiter. Ich ging rein, schloss das Tor wieder hinter mir und führte Flo zur Mitte der Bahn. Dort gurtete ich nach, während ich den Reiter beobachtete. Entweder hatte ich ihn wirklich vorher noch nie gesehen, weil er mir nie aufgefallen war, oder er war noch nicht lange hier beschäftigt. Er musste einer der Trainer sein, die hier vor kurzem neu eingestellt worden waren. Er war ein Blondkopf und ritt auf Sweety, der Schimmelstute aus dem Schulpferdestall. Und er ritt gut, man merkte richtig, wieviel Potenzial man aus dem Vollblüter rausholen konnte, wenn man wusste, wie man mit ihr umgehen musste. Ich dagegen würde trotzdem bei meinem Western bleiben, so schön Dressur manchmal auch sein mochte. Also zog ich mich auf Flos Rücken und ritt auf dem zweiten Hufschlag meine Schrittrunden. Der Blondkopf kam nach einiger Zeit neben mir mit Sweety zu halten und ritt im Schritt neben mir her. "Hallöchen, ich bin Marco.", stellte er sich vor, als ich überrascht zu ihm rübersah. "Heyy.", grüßte ich zurück, "Ferry." Wir gaben uns kurz die Hand, dann meinte er: "Kam mir blöd vor, hier mit jemandem zu reiten und ihn komplett zu ignorieren." Ich nickte: "Das macht immer so eine angespannte Stimmung." "Jaa, genau, das seh ich auch so.", stimmte Marco zu, "Und ich nehm an du gehörst auch zum Personal hier oder.? Flower ist doch Schulpferd." Ich schüttelte den Kopf: "War sie vor einer Weile noch. Aber jetzt ist sie privat. Hab sie gekauft.", zwinkerte ich. "Achsooo.", meinte Marco, "Ja, als ich hier mein Vorstellungsgespräch hatte und mir die Schulfperde angesehen hab, war sie noch dort im Stall, deswegen war ich grad bisschen verwirrt. Aber stimmt eigentlich, in letzter Zeit steht sie da gar nicht mehr. Mein Fehler sorry.", er lachte. Ich musste auch lachen: "Passiert, egal. Aber ja, ich arbeite trotzdem hier, als Schulpferdepfleger. Ich reite Maja." "Jap, die schöne Quarter Horse Stute.", erinnerte sich Marco. "Genau die.", gab ich ihm recht. "Hat aber so eine komische Angewohnheit. Bin sie auch mal geritten, wir Trainer üben ja mit allen Pferden ohne Besitzer ein bisschen. Und die reißt immer den Kopf so rum.", erklärte er mir. "Jap.", antwortete ich, "Ich weiß, was du meinst. Aber die Faxen gewöhne ich ihr grad ab." "Gute Sache.", kommentierte Marco, "Dann will ich eure Fortschritte mal nicht verderben und halt mich in nächster Zeit mal zurück in puncto Maja trainieren." Ich grinste: "Wie aufmerksam." Er schüttelte auch grinsend den Kopf: "Achwas, ist doch echt so. Nicht, dass ich ihr die Mätzchen zu arg durchgehen lasse oder sie falsch davon abhalte - das würde eure Fortschritte ja nur wieder zurückwerfen." "Oke, stimmt auch wieder.", stimmte ich zu, "Na dann, vielen Dank." "Achwas.", erwiderte Marco, "Nicht der Rede wert. Ich werd den anderen Trainern dann auch mal Bescheid geben. Aber jetzt geh ich dann mal, bin mit Sweety schon fertig." Ich nickte: "War schön, mit dir zu reden." "Jap.", zwinkerte er, "Gleichfalls.", dann ritt er mit Sweety ein Stück in die Bahn rein, schwang sich von ihrem Rücken und führte sie nach draußen. "Tür frei.!", rief er. "Ist frei.!", antwortete ich. Als Marco das Tor hinter sich schloss, hörte ich noch wie er ein "Man sieht sich" rief und dann mit Sweety davontrottete. "Na, dann wollen wir doch auch mal was schaffen, meinst nicht.?", fragte ich Flo und trabte mit ihr an. Wir machten unser übliches Programm durch. Ein wenig im Trab aufwärmen, Volten und Schlangenlinien. Danach angaloppieren und Speed Control auf den Zirkeln, mit viel Gewichts- und Stimmhilfen, möglichst wenig mit den Zügeln. Es wurde tatsächlich so langsam immer besser. Rückwärtsrichten war sowieso schon Flos Spezialität. Und dann kam der Roll Back, den ich in Flos und meinem Köpfchen wieder auffrischen musste, wo er doch letztes Mal in einem Sturz endete. Ich hoffte, dass nicht schon wieder eine der Katzen irgendwo saß und Flo sie dann sah. Egal, positiv denken. Jetzt grade war ja auch die ganze Zeit über nichts passiert. Also galoppierte ich los, gab kleine Paraden, um Flos Aufmerksamkeit zu haben, dann der Stop und die scharfe Hinterhandwende. Flo machte einen Satz, dann galoppierte sie mit großen Sprüngen weiter. Ich parierte durch. "Guuut gemacht.", lobte ich sie und gönnte ihr eine Pause. Auch wenn sie nicht perfekt in ihrer eigenen Spur weitergelaufen war, war ich dennoch zufrieden. Nach dieser Übung trainierte ich noch einige Hinterhandwendungen im Stehen mit ihr. Versuchte ihr einzubläuen, dass sie genau auf der selben Linie weiterlaufen musste, wie auf der, auf der sie gekommen war. Dann probierte ich nochmal den Roll Back im Galopp. Flos gelaufene Linie zurück war schon besser geworden, mit den entsprechenden Gewichtshilfen musste ich nur noch besser arbeiten. Ich klopfte ihr den Hals und trabte leicht, ließ die Zügel aus der Hand kauen, bis wir wieder im Schritt waren. Nach dem Trockenreiten verließ auch ich die nun leere Reithalle und führte Flo zurück zum Stall. Ich sattelte sie ab, kratzte die Hufe aus, fuhr mit einer Bürste nochmal über ihr Fell und ließ sie wieder zurück in ihre Box trotten. Ich reichte ihr die andere Hälfte des Apfels von vorhin, bevor ich sie verließ, um mich auf die Suche nach Finn zu begeben.